Soziales Lernen, Gemeinschaftserfahrung und Friedensschulung

Grundgedanken

„Allgemein hin versteht man unter sozialem Lernen den Erwerb sozialer und emotionaler Kompetenzen. Es geht um die Entwicklung von Wahrnehmungsfähigkeit, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Empathie, Kooperations- und Konfliktfähigkeit sowie Zivilcourage. Das soziale Lernen findet maßgeblich in einer sozialen Gruppe statt.“ (aus: Schulinternes Curriculum)

Unsere Weltsituation ist geprägt von globalen und regionalen Konflikten. Ein globales, demokratisches Miteinander konnte trotz UNO und vieler Friedensinitiativen noch nicht erreicht werden. Zu stark sind die unterschiedlichen Ideologien, religiösen Abgrenzungen und materiellen Interessen einzelner Gruppen.
Für die Zukunft unseres Planeten und der Menschheit ist es aber unabdingbar, dass wir in die Lage kommen, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Zu groß ist das Elend in der Welt vor allem für Kinder, das durch Krieg, Ausbeutung und Hunger ausgelöst wird (alle 7 Sekunden stirbt ein Kind eines unnatürlichen Todes).
Die Kinder tragen eine hohe Bereitschaft in sich zu Anteilnahme und gegenseitiger Unterstützung und ein Lösungspotential für ihre Konflikte untereinander, wenn Schulen dafür einen Gestaltungsraum und gewaltfreies Konfliktlösungswissen bereit stellen.

In der Escola da Esperança hat dieser Lernbereich einen hohen Stellenwert.
Im „Schulinternen Curriculum“ sind vier Unterrichtsmodule für den Bereich soziale Kompetenz und Lernen in globalen Zusammenhängen vorgesehen:

  • Soziale Kompetenz und Anteilnahme – Lernen durch Gemeinschaftserfahrung
  • Modul „Objektive Ethik“
  • Modul „Gemeinschaft als universelle Lebensform“
  • Lernen in globalen Zusammenhängen
  • Modul „Weltgemeinschaft“
  • Modul „Friedensschule“

Kooperation statt Konkurrenz

Alle neueren mikrobiologischen Forschungen (Lynn Margulis u. a.) deuten darauf hin, dass die Schöpfung nicht primär nach dem Prinzip der „Macht des Stärkeren“ (Darwinismus) aufgebaut ist, sondern auf Synergie und Kooperation bereits der kleinsten Lebewesen, um Leben in dieser komplexen Form hervorzubringen.
Natürlicherweise sind diese Qualitäten auch die Grundbedingungen für ein friedliches Zusammenleben in gegenseitigem Respekt der Kulturen und Interessensgruppen unter Menschen. Schule hat den Auftrag, den “Samen“ für eine Friedenskultur zu legen, wenn sie den Grundprinzipien der nationalen Curricula gerecht werden will wie zum Beispiel:
„Freie, verantwortliche, solidarische und kritische Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“.
(übersetzt aus: „Grundprinzipien des nationalen Curriculum in Portugal“)
Die Schüler lernen sowohl im Alltag als auch in konkreten „Trainingssituationen“ die Grundregeln einer „Objektiven Ethik“ kennen und einüben:
Wahrheit und Transparenz, gegenseitige Anteilnahme und Unterstützung, Verantwortung für die (Schul-)Gemeinschaft und die Welt.

Soziales Lernen durch Altersmischung und Gemeinschaftserfahrung

„Die ursprüngliche Gemeinschaft ist das menschliche Beet, in das alles menschliche Leben einschließlich der Familie eingeordnet ist. (…) Sie ist nicht gebunden an bestimmte Zeiten und Kulturen, sie ist ein übergeschichtlicher Bestandteil unserer menschlich-gesellschaft-lichen Existenz. Nur durch Gewalt konnte sie zerstört werden, und nur wenn wir für sie ein vollwertiges, unserer Zeit entsprechendes Äquivalent gefunden haben, können wir wieder in heile Beziehungen zueinander treten.“(Dieter Duhm, Die heilige Matrix, S.360)

In unserer Schule sind die einzelnen Lerngruppen (Primaria und Sekundaria) altersgemischt zusammengesetzt. Das ergibt sich von selbst aus der geringen Schülerzahl in den ersten Jahren des Betreibens der Schule. Es wird aber auch als wichtiges soziales Strukturprinzip bei größerer Schülerzahl gelten, da in dieser Altersmischung sowohl eine starkes soziales Gefüge als auch gegenseitige Inspiration in den Lernvorgängen entsteht.
Vor allem in Projektzeiten und den Reisen der „Reisenden Schule“, bilden die Schüler aller Altersstufen mit ihren jugendlichen und erwachsenen Begleitern (Lehrpersonen, Eltern usw.) eine Gemeinschaft. Diese Erfahrungen tragen stark zu einem vertrauensvollen Miteinander an unserer Schule in gegenseitigem Respekt bei.
Gemeinschaftliche Erfahrungsräume, ermöglichen Kindern und auch Erwachsenen die Erfahrung von der ‚Einheitlichkeit allen Lebens‘.

„Der Begriff der Gemeinschaftserfahrung bezieht sich einerseits auf die Gemeinschaft der Menschen, die teilnehmen am schulischen Leben, und andererseits soll sie sich aber auch ausweiten auf die Eltern der Schüler, die umliegende Region der Schule, … Letztendlich soll die Gemeinschaftserfahrung sich auf Tiere, Pflanzen und alle Mitgeschöpfe ausdehnen.“ (Schulinternes Curriculum)

Demokratie lernen

Demokratisches Miteinander, sowohl regional als auch global, muss bereits in jungen Jahren als positive Qualität und soziales Prinzip erfahren werden, wenn die Zukunft der Welt eine demokratische sein soll. Die Schüler müssen schon sehr früh am Leben und der Gestaltung „Ihrer Schule“ beteiligt werden. Dafür haben unsere Schüler die Möglichkeit, einen „Schülerrat“ zu wählen, der aus Kindern aller Altersstufen zusammengesetzt sein kann.
Gerade die scheinbar „kleinen Kinder“ haben oft die besten und herzvollsten Konfliktlösungsideen. Dort werden Vorschläge erarbeitet sowohl für die soziale Gestaltung als auch neue, experimentelle Formen und Ideen des Lernens „entwickelt“ und am Wochenabschluss in die ASSEMBLEIA eingebracht.
Ein wichtiger Bereich ist natürlich auch eine „neue Form“ des Geschichtsunterrichtes. Es sollen nicht „Kriegsgeschichtsdaten“ unserer Menschheitsgeschichte auswendig gelernt werden müssen, sondern nach neuen, demokratischen Lösungen der Hoffnung für eine zukünftige globale Friedenskultur gesucht werden können, in einem zukunftsrelevanten Geschichtsunterricht. Krieg kann in einer humanen Zukunftskultur kein Mittel mehr sein, um Frieden zu erzeugen. Im Krieg gibt es keine Gewinner sondern nur Verlierer. Dass gerade die Rüstungsbranche in den Jahren der wirtschaftlichen Rezession die größten Wachstumsraten hatte, halten wir für ein Zeichen einer pervertierten Wirtschaftkultur. An diesen Stellen ist es die Aufgabe von allen Erwachsenen, Stellung zu beziehen für das LEBEN, wenn wir unsere nachfolgende Generation nicht verlieren wollen als Träger einer sinnvollen Zukunft.
Auch dazu wird unsere Schule ein neues, internes Curriculum erarbeiten als Ergänzung zu den nationalen Curricula.
Diese Themen sind tiefe menschheitliche Themen und es braucht viel vernetztes Denken und Zeit, dafür ein fundiertes aber un-ideologisches Curriculum zu erarbeiten, das Antworten bereit hält zur Lösung der weltweiten Konflikte, die den großen und friedliebenden Seelen der Kinder und Jugendlichen gerecht werden.

Interkulturelle Erfahrungen

„Kinder nehmen Anteil am Leben. Das ist ihr Grundzustand. Sie wollen wissen was los ist in ihrer unmittelbaren Umgebung und auch in der Welt. Dieser Lernbereich ist eine Überschnei­dung verschiedener Fächer. Den Kindern soll ein Weltzugang ermöglicht werden damit sie eine fächerübergreifende Kompetenz im Sinne einer zukunftsweisenden Perspektive ent-wickeln können. Dieser Kompetenzerwerb bezieht Wissen über zukunftsfähige, ökologische, soziale, politische und ökonomische Entwicklungen mit ein und stellt sie in globale Zusammenhänge. Erforscht werden soll die kulturelle Vielfalt (Welche verschiedenen Kulturen gibt es? Wie leben Kinder in anderen Kontinenten? …) und generelle globale Tendenzen (ökonomische, ökologische, soziale) und wie sie unsere Welt prägen.“ (aus: Schulinternes Curriculum der Escola da Esperança )

Viele Konflikte entstehen durch Vorurteile gegenüber anderen Kulturen, Völkern und Ländern. Sowohl global als auch im Miteinander von multikulturell zusammengesetzten Lerngruppen. Aber gerade dieses interkulturelle Kennenlernen ist die Grundlage dafür, Vorurteile umzuwandeln in Interesse und Kooperation, wenn es in den Schulen bewusst begleitet wird. Durch das interkulturelle Umfeld des Friedensforschungszentrums Tamera, haben die Schüler die Möglichkeit, Menschen aus vielen anderen Kulturtraditionen kennen zu lernen und sie in ihren Unterricht einzuladen. Oft entstehen dadurch bewegende Stunden, wo die Kinder und Jugendlichen tiefe Fragen stellen, z. B. an eine afrikanische Friedensarbeiterin aus dem Kongo über die Geschichte und das Leben des Landes.
Ein Ziel der Escola da Esperança ist, dass die Schüler selbst eine Internetplattform erstellen, um auch mit Kindern und Jugendlichen aus der ganzen Welt kommunizieren zu können. In diesem Zusammenhang ist das Projekt „Reisende Schule“ sehr wichtig, das die Schüler in andere Länder und ab der Sekundaria auch in andere Kulturen führt.