Die Welt ist ein ganzheitlicher Organismus

Die Welt lässt sich, wie die kindliche Erfahrung, nicht ohne Verlust von Sinnzusammenhängen in Fächergrenzen einordnen. In der Synergie aus handelndem Erforschen und geistiger Schau sind alle Erkenntnisorgane des Menschen beteiligt. Daraus entwickelt sich ein ganzheitliches, zellulär verankertes Wissen und Handlungskompetenz.

„Mit den Kräften der Liebe suchen die Fragmente des Lebens einander, auf dass die Welt sich vollendet.“ (Teilhard de Chardin) Wir können alle Dinge, durchaus unserer Neugierde folgend, bis in kleinste Teilchen zerlegen. Doch wir riskieren dabei, dass wir die strukturelle Zusammengehörigkeit aller Dinge aus den Augen verlieren. Durch zu starke Fragmentierung von Lerninhalten in die verschiedensten Fächer wird organisches, ganzheitliches Lernen verhindert. Die großen Zusammenhänge des Lebens, der lebendige Geist der Natur, die Werte unserer menschlichen Kultur können nicht vermittelt werden, wenn wir im Stundentakt von Fach zu Fach springen. Die Taktung vermittelt dem Kind, dass die Gedanken es nicht wert sind, um bei ihnen länger zu verweilen – ihnen nachzugehen und dadurch immer größere geistige Räume zu betreten.

Bereits junge Kinder haben große Fragen zur Welt und dem Leben. Sie lieben große Zahlen und große Zusammenhänge, metaphysische und magische Denk- und Erfahrungsräume und die faszinierende Unendlichkeit des Kosmos. Das neugierige Staunen und die ganzheitliche Erfahrung der Welt gehen allerdings verloren, wenn in den Schulen zu früh das Primat eines funktionalen und logisch-linearen Denkens verfolgt wird. Auch durch die zunehmende Standardisierung von Lerninhalten und Leistungstests wird die Größe und Vielfalt der Potentiale der Schüler auf ein schmales Band an „messbaren Kompetenzen“ reduziert.

In der Escola da Esperança sollen die Lebenskräfte und die Natur Lehrmeister sein dürfen für alle Beteiligten – für Lehrer, Eltern und Kinder gleichermaßen. Warum die Funktionslogik des Lebens und die grundlegenden Kulturtechniken nur aus Büchern studieren, wo wir doch umgeben und eingebettet sind in Natur und Schöpfung, in menschliche Gemeinschaften und die interkulturelle Vielfalt der Welt? Diesen Lebensumraum zu nutzen für erkennende Erfahrung und handelndes Lernen, ist uns ein wichtiges Anliegen.

Auch das Lernen mit speziellen Lernmaterialien (wie z. B. Sinnesmaterial, Mathematisches Material, Sprachmaterial nach Montessori), welche Kinder zum Lernen anregen und sie im Lernprozess unterstützen, führt zur oben benannten Synergie aus handelndem Erforschen und geistiger Schau, an der alle Erkenntnisorgane des Menschen beteiligt sind.

Dies bewirkt eine Verfeinerung der Sinne, eine wichtige Voraussetzung des Lernens und Begreifens. Jedes Kind hat einen natürlichen Drang alles zu berühren, zu riechen, zu schmecken. Montessori leitet aus dieser Beobachtung ihre Erkenntnis ab, dass der Zugang zum kindlichen Denken, bis einschließlich der „konkret- operationalen Phase“ (nach Piaget), nicht auf abstraktem Wege, sondern über die Sinne des Kindes erfolgt. Greifen und Be-greifen werden zur Einheit im Lernprozess.