Der „Offene Lernraum“ – effizientes Lernen durch eigenes Interesse
Die kontinuierliche Basis für alle Aktionen und Lernformen in der Escola da Esperança bildet der „Offene Lernraum“: In ansprechenden, nach Fachgebieten geordneten Räumen finden die Schüler anregendes, den verschiedenen Lernstufen entsprechendes didaktisches Material (Montessorimaterial u. a.) vor. Das breite Angebot ermöglicht den Kindern, ihrer Entwicklung entsprechend, ihren Interessen zu folgen und sich somit optimal ausbilden zu können. Zentral sind dabei die Möglichkeit für das handelnde Lernen durch konkretes Material, was eine ganzheitliche Auseinandersetzung und ein umfassendes Verständnis ermöglicht. Viel Zeit für lange Konzentrationsbögen und die freie Wahl des Lernmaterials ermöglicht dem Kind, sich selbst immer mehr zu entdecken und Eigenverantwortung zu übernehmen.
„Die Aufgabe von Erziehung ist es, diese Umwelt so auszugestalten, dass von ihr – entsprechend den sensiblen Phasen des Kindes – optimale Lern- und Wachstumsanreize ausgehen. Dies bezeichnet Maria Montessori als ‚vorbereitete Umgebung‘. (…) Die Vorbereitete Umgebung soll das Kind anregen und in den Stand versetzen, seinen Lerninteressen nachzugehen.“ (Horst Klaus Berg/Maria Montessori, 2002, S.28)
Lernfreude erhalten
Kinder lernen mit unglaublicher Freude und erobern sich nach und nach ihre Umwelt. Im Zentrum der Escola da Esperança steht die Erhaltung dieser Lernfreude als Grundlage für lebenslanges Lernen und die Bereitschaft für Weiterentwicklung und Innovation.
Der offene Lernraum bietet den Kindern eine Umgebung mit vielen interessanten Anreizen. Er lässt Spielraum sowohl für aufkommende stille Freude, Interesse und Neugier, wie auch für gemeinsame plötzliche Begeisterung für ein Thema und spontane, schöpferische Vorgänge in der Gruppe.
Erkennen durch Interesse
Wirkliches Verstehen geschieht nur, wenn der ganze Organismus in den Lernprozess involviert ist, und der Lernende durch sein Interesse angetrieben ist, immer mehr wissen zu wollen.
„Denn nur dann, wenn Schüler mit Freude und Begeisterung neues Wissen erwerben und sich neue Fähigkeiten und Fertigkeiten aneignen, werden in ihrem Gehirn die emotionalen Zentren aktiviert. Nur dann kommt es an den Enden der Fortsätze der dort befindlichen Nervenzellen zur Ausschüttung von sogenannten neuroplastischen Botenstoffen, die all jene Neuronenverbände, die sie im Zustand der Begeisterung besonders intensiv nutzen, dazu bringen, vermehrt solche Eiweiße zu bilden, die für das Auswachsen von neuen Nervenzellverbindungen und die Bildung neuer Nervenzellkontakte gebraucht werden. Begeisterung wirkt also wie Dünger für´s Gehirn.“ (Gerald Hüther)
Disziplin
„Disziplin ist eine Form der bewussten Selbstregulierung“ (Wikipedia). Die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit und Energie bewusst zu lenken und den Willen aufzubauen, an einer Aufgabenstellung dranzubleiben, ist eine wichtige Qualität in der Schnelllebigkeit unserer heutigen, konsumorientierten Zeit. Sie wird aber für eine Zukunft, die nach selbstverantwortlichen und engagierten Menschen ruft, dringend gebraucht.
Selbstdisziplin entsteht nicht, weil man gelernt hat, von außen gestellte Anforderungen zu erfüllen, sondern, weil man die innere Kraft hat, einer Line-of-Tension zu folgen. In dem Moment, in dem das Kind eine Aufgabe gefunden hat, der es sich mit seiner vollen Aufmerksamkeit zuwendet, entsteht in ihm Kraft und Wille, die von außen kaum erzeugt werden kann. Diese Kraft nährt das Kind in einer Weise, die sein Vertrauen in sich selbst stärkt. Ein Vertrauen, das ihm die Kraft gibt, sich in immer unbekanntere Gebiete vorzuwagen und ein Ziel beharrlich zu verfolgen.
„…für Maria Montessori hat die „Polarisation der Aufmerksamkeit“ viel mehr bedeutet als ein kognitiver Vorgang zur Steigerung der intellektuellen Aufnahmefähigkeit. Sie war überzeugt, dass hierin ein Schlüssel zur Entfaltung der geistigen und psychischen Kräfte gefunden war: Kinder, die immer wieder diesen Konzentrationsprozess erfahren, entdecken ihre eigene Stärke, nehmen sich als Subjekt in ihrer Arbeit wahr, werden zu einer starken Selbstdisziplin fähig und finden sich selbst.“ (Horst Klaus Berg/Maria Montessori, 2002, S.26)
Eine „disziplinierte“ Lernatmosphäre im Klassenraum entsteht durch eben diese intensive Auseinandersetzung mit geistigen Inhalten und durch ein Klima von Vertrauen und gegenseitigem Respekt. Dieses Klima mit zu schaffen, ist die Aufgabe der Lehrpersonen.
Zeit für Lernprozesse
Damit Konzentration von innen und somit mit hoher Effizienz entstehen kann, sind lange Zeitbögen notwendig, während denen sich die Schüler an Themen herantasten und sich vertiefen können, ohne dabei unterbrochen zu werden.
Die Kinder erfahren neben den Phasen von Inspiration und Fokussierung auch Momente der Leere, der Suche, manchmal sogar der „Langeweile“. Durch das Erlebendürfen dieser inneren Bewegungen ohne gleich korrigiert oder angespornt zu werden, lernen sie sich selbst immer mehr kennen. Sie erfahren, dass Lernen in „Rhythmen“, im Wechsel von Ruhe und Aktion, oszillierend, kreiselnd verläuft, wenn die Lernzeiträume nicht in zu kleine Fragmente gestückelt sind. Es bildet sich ein tiefes Vertrauen in die eigene Persönlichkeit, Kraft und Selbstwirksamkeit, welche auch im späteren Leben durch herausfordernde Situationen tragen.
Das freie Spiel – Üben von Neuem und Verarbeiten von Eindrücken
Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget beschreibt, wie sehr effizientes Lernen im freien Spiel des Kindes geschieht: Im Spiel üben die Kinder nicht nur unermüdlich neu errungene Fertigkeiten in allen möglichen Variationsformen (Übungsspiel), es dient auch zur Verarbeitung und Integration von herausfordernden Erlebnissen und Eindrücken (Symbolspiel), sodass sie wieder frei werden für Neues. Weder das lebendige, permanente „Trainieren“ von Neuem, noch der Vorgang der „Selbstreinigung“ können von außen in derselben Qualität erzeugt werden. Sie entstehen durch die dem freien Spiel innewohnende Absichtslosigkeit und die innere vollständige Verbindung mit dem eigenen Tun. Deshalb wird dem freien Spiel als Teil des offenen Lernraums ein hoher Stellenwert beigemessen.
Angebote und individuelle Einführungen
Täglich bieten die Lehrpersonen dem Lernstand der Kinder entsprechende Angebote in den unterschiedlichen Fächern an. Diese Angebote dienen dazu, die Kinder in neues Material (neue Lerninhalte) einzuführen, sodass sie inspiriert und angeregt werden, neues auszuprobieren, und sich dadurch ihr Tätigkeitsspektrum erweitern kann. Ebenso greift die Lehrperson in den Angeboten Themen der aktuellen Lernprozesse der Kinder auf, um diese zu vertiefen. Solche Einführungen oder vertiefende Angebote finden sowohl in der gesamten Lerngruppe statt, wie auch individuell im Kontakt mit einem Kind. Dabei ist die eigene Begeisterung am Thema das Feuer, durch welches sich im Kontakt mit den Kindern ein gemeinsamer geistiger Raum entflammt.
Die Angebote in der Lerngruppe sind grundsätzlich freiwillig, sodass Kinder, die bereits in einer Tätigkeit vertieft sind, diese nicht unterbrechen müssen.
Vertiefung durch gegenseitiges Helfen
Im offenen Lernraum erfahren sich die Kinder sowohl als Helfende wie auch als Hilfesuchende. Neben der Erfahrung, dass man gemeinsam weiter kommt, vertiefen die Kinder dadurch ständig ihre eigenen Fertigkeiten: Durch das Erklären eines Inhaltes überprüft der Helfende sich selbst, wie sattelfest er in dem Fachgebiet ist, und festigt das eigene Wissen.
Über Lernprozesse sprechen, Ziele formulieren und wichtige Schritte dokumentieren
In Einzelgesprächen und im täglichen Kreis lernen die Kinder ihre Lernschritte zu formulieren und mitzuteilen. In ihrem Lerntagebuch dokumentieren sie wichtige Schritte und neue Errungenschaften. Mit zunehmendem Alter gewinnt der Aspekt „sich etwas vornehmen und das Ziel erreichen“ an Bedeutung. Lernstrategien wie Zielsetzung, Wochenplanung und gezieltes Trainieren von gewünschten Fertigkeiten werden eingeführt und begleitet.
„Lernbüro“ – der offene Lernraum in der Sekundaria
Auch der offene Lernraum der Sekundaria soll so gestaltet sein, dass die Schüler die Möglichkeit haben, ihre Lern- und Entwicklungsschritte selbständig zu machen. Die Sekundaria hat einen eigenen, für ihre Bedürfnisse eingerichteten Lernraum. Im Zentrum steht dabei eine didaktische Organisationsform für selbstorganisiertes Lernen: das „Lernbüro“. Die Lernmittel werden durch die Lehrpersonen bereitgestellt in Form von sogenannten „Lernbausteinen“. Die Schüler organisieren ihre Lernprozesse selbst und wählen auch innerhalb des Lernbüros die Fachbereiche, an denen sie gerade arbeiten wollen. Die traditionelle Struktur in Klassen und Schulstunden ist dabei zugunsten von mehrstündigen, täglichen Lernabschnitten in altersgemischten Lerngruppen aufgelöst. Die Fragmentierung von Lernen und Denkvorgängen wird dadurch vermindert. Man hat „Zeit“, einem Erkenntnisvorgang bis in seine Tiefe zu folgen. Die Inhalte der Lernbausteine orientieren sich überwiegend am CIE – Curriculum und am „Schulinternen Curriculum“.
Wir unterstützen aber auch bewusst Selbstlernvorgänge, die über die angebotenen curricularen Lernbausteine hinausgehen, wenn Schüler in bestimmten Bereichen ein hohes Interesse oder eigenes Wissen und Kompetenz mitbringen. So können einzelne Schüler durch ihre spezielle Kompetenz selbst den Aufbau neuer Lernbausteine initiieren und mitgestalten.
Wir bieten Lernbausteine in den Fachbereichen Mathematik, Science und Sprachen an. In Musik und Kunst werden sowohl theoretische, fachspezifische Lernbausteine angeboten, als auch praktische Übungsbausteine, die dann durch Fachlehrpersonen (Musik/Kunst) begleitet werden.
Die Schüler erarbeiten zu Wochenbeginn zusammen mit dem Tutor bzw. den Fachlehrpersonen das „Pensum“ für einen Zeitabschnitt (ca. 2 – 4 Wochen, je nach Grad der Selbstlernkompetenz) für alle Fachbereiche. Am Freitag wird die einzelne Woche evaluiert. Die Schüler der Sekundaria sind immer selbständiger in der Lage, ihre Lernfortschritte im „Lerntagebuch“ zu protokollieren. Sie machen dann einen Kompetenztest individuell oder in Gruppen, wenn sie sich dafür vorbereitet fühlen. In Einzelfällen kann auch der Tutor einen Termin für einen Kompetenztest festlegen. Auch in projektbasierten Lernabschnitten arbeiten Schüler an ihren Fragen und Herausforderungen.
In der Sekundaria 2 werden Fachkurse vor allem in den Fachbereichen Englisch (als Prüfungs- und Unterrichtssprache) und First Language einen größeren Raum einnehmen, da diese Zeit der Vorbereitung auf die Abschlussprüfung IGCSE dient.